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Barth - Lexikon

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Name des Begriffes: Lubinsche Karte
Beschreibungen des Begriffes:

Lubinsche Karte

Die erste Spezialkarte Pommerns, erstellt von Eilhard Lubin 1618.

Im Jahre 1610 beauftragte Herzog Philipp II. von Pommern-Stettin den Rostocker Professor Eilhard Lubin (1565-1621) mit der Erstellung einer Karte von Pommern. Es war die erste Karte Pommerns und wurde zudem mit exakten Methoden der Landvermessung angefertigt. Von der Geschichte der Entstehung der Karte liegen uns leider nur wenige Informtionen vor. Die Auftragserteilung hängt zusammen mit dem Zuspruch, dessen sich die 1609 von Lubin erstellte Rügenkarte erfreuen konnte.

Die hauptsächlichen Feldarbeiten führte Lubin 1611/12 aus. Er verließ Stettin mit einem nicht näher genannten Begleiter am 19. August 1612 und kehrte am 13. Oktober wieder zurück. In dieser kurzen Zeit soll er wenigstens 150 Örtlichkeiten aufgesucht und etwa 5900 Messungen vorgenommen haben. Möglicherweise nutzte er verschiedene Vorarbeiten, genannt wird Kartenmaterial des herzoglichen Verwalters Daniel Froboese, vielleicht auch die Resultate weitere Reisen. Anders sind die vielen kartographischen Details zu etwa 2800 Ortschaften, Flußläufen und allein schon zum Verlaufe der Küstenlinie nicht zu erklären.

Auf Lubins Pommernkarte findet sich neben seinem möglichen Porträt eine Darstellung von Instrumenten zur Landvermessung: Der Quadrant, die Kreuzscheibe (auch Astrolab genannt) und der Jakobstab. Zudem hat Lubin hier einen Stechzirkel in der Hand, der zum Übertragen von Strecken gebraucht wurde. Damit sind die für solcherart Arbeiten gebräuchliche Instrumente der Zeit dargestellt.

Das Ergebnis der Arbeiten war eine Karte, die mit ihrer repräsentativen Gestaltung dem fürstlichen Auftrag entsprach. Sie hatte einen Maßstab von 1:240 000 und eine Größe von 2,20 x 1,25 m, zusammengesetzt aus 12 Teilblättern. Ihr Druck erfolgte 1618 in Holland von Kupferplatten, deren Stecher in einer Kartusche genannt wird: „Nikolas Geilkerckius sculpsit“, Nicolaas van Geilenkerken, der seit um 1616 bis um 1650 bekannt ist.

Aus unserer Region sind zahlreiche Städte und Dörfer, Fluß- und Bachläufe sowie der Küsten- und Uferverlauf verzeichnet. Gut zu erkennen ist der Prerower Strom, der Barth damals einen Zugang zur Ostsee ermöglichte. Vor der Küste Usedoms, etwa auf der Höhe von Koserow, ist die Stadt Vineta, „Wineta urbs“, mit dem Hinweis ihrer Zerstörung durch den dänischen König Konrad eingezeichnet.

Das Kartenblatt weist eine umlaufende Skale für die geographische Länge und Breite auf. Die Breitenskala gibt direkt die Polhöhe an, die Länge wird zum damaligen Bezugsmeridian von Ferro (Kanareninsel El Hierro) angegeben. Gegenüber dem Meridian von Greenwich beträgt die Differenz zu Ferro nach Festlegung 17°40´ westl. Länge.

Von großem Interesse ist die Genauigkeit, die Lubins Karte zukommt. Trotz des Mangels unserer Kenntnis von den Details der Entstehungsgeschichte muß angenommen werden, daß Lubin für eine Reihe von Orten astronomische Ortsbestimmung vornahm, um ein Grundgerüst an Bezugspunkten zu bekommen; Entfernungen konnten z.B. durch Schrittmesser oder Entfernungsmesser an Kutschenrädern bestimmt werden. Die geographische Breite weist für zahlreiche Orte eine sehr hohe Genauigkeit auf. Die der geographischen Länge ist zwar um einiges geringer, aber im Rahmen der damaligen Vermessungsmethoden durchaus akzeptabel. Nachstehend sind einige Beispiele aufgeführt; eine Gesamtbearbeitung steht noch aus.

In der Tabelle stehen die Werte aus der Lubinschen Karte, eingeklammert die tatsächlichen Werte, dazu der Fehler der Kartenposition. Die geogr. Länge wurde durch Abzug von 17°40´ in die östl. Länge (bezüglich Greenwich) umgerechnet und so mit den tatsächlichen Werten wie bei der geogr. Breite vergleichbar gemacht.

  geogr. Breite geogr. Länge
Damgarten 54°19´ (54°15´; +4´) 16°47´ (12°28´; +4°19´)
Lüdershagen 54°25´ (54°18´; +7´) 16°59´ (12°37´; +4°22´)
Barth 54°30´ (54°22´; +8´) 17° 8´ (12°43´; +4°25´)
Löbnitz 54°25´ (54°18´; +7´) 17° 7´ (12°43´; +4°24´)
Stralsund 54°28´ (54°19´; +9´) 17°36´ (13°5´; +4°31´)
Malchin 53°40´ (53°44´; -4´) 17°24´ (12°46´; +4°38´)
Schwedt 53°04´ (52°58´; +6´) 19°13´ (14°17´; +4°56´)
Leba/Lebe 55°13´ (54°45´; +28´) 22°41´ (17°33´; +5°8´)
Belgard / Bialogard 55°50´ (54°39´; +1°11´) 22°43´ (17°39´; +5°4´)

Die geringe Zahl der gewählten Orte und die wenigen Kenntnisse von Lubins praktischen Arbeiten lassen natürlich nur wenige Schlußfolgerungen zu. Die Angaben der geographischen Breiten in unserem Gebiet (sowie für Schwedt) sind erstaunlich genau. Die beiden nahe der östlichen Grenze weisen einen deutlich höheren Fehler auf. Daß die Angaben der geographischen Länge insgesamt mit einem größeren Fehler behaftet sind, war wegen der schwierigeren Messungen der Länge zu erwarten (dies war noch in den Karten des 18. Jh. der Fall). Bemerkenswert ist die regut übereinstimmende Größe des Fehlers für die Orte in unserem Gebiet, was zwar nicht erklärt werden kann, aber auf jeden Fall für die sorgfältige Arbeitsweise Lubins spricht.

So scheint es nicht falsch zu sein, wenn Oehlrichs 1771 meinte, daß die wenigen Fehler der Karte „denen Veränderungen zugeschrieben werden [müssen], welche hin und wieder mit und in dem Lande“ sich zugetragen haben (Oelrichs, S. 69). Dies trifft ohne Zweifel auf die Zeichnung der Küstenlinie zu, über deren Wiedergabe hier auch nicht geurteilt werden soll (vgl. z.B. die Wirkungen des Sturmhochwasser von 1625 im Bereich Zingst und Straminke).

Lubins Pommernkarte ist mit ihren vielfältigen Beigaben weit mehr als nur eine Landkarte.
Oben, im Bereich der freien Ostsee, findet sich der Stammbaum der pommerschen Herzöge („Nova illustrissimi principatus Pomeraniae descriptio cum adjuncta principum Genealogia“) mit über 150 Porträtmedaillons, oberhalb des Darß der der Rügenfürsten, jedoch ohne Bildnisse.

Rechts auf der Karte finden sich in ovalen Kartuschen Porträts der pommerschen Herzöge dieser Zeit, Philipp II., Ulrich, Franz und Bogislaw XIV. (Söhne Bogislaws XIII.) sowie Philipp Julius (Sohn von Ernst Ludwig), das herzogliche Wappen sowie darunter die Wappen der hauptsächlichen Herrschaften (einschl. Barth, in dessen Feld jedoch fälschlich ein aufsteigender Greif).

Am unteren Rand befinden sich links und rechts ein in sieben Spalten geteiltes Textfeld in aufwendiger Rahmung und Spaltenteilung, zunächst eine historisch orientierte Beschreibung Pommerns („Pomeraniae, et rerum in ea memorabilium brevis descriptio E. Lubini.“, Wiedergabe des Textes bei Oelrichs, S. 85–98). Es folgt ein Verzeichnis von 63 pommerschen Städten („Catalogus urbium“) sowie von 79, in pommerschen Gewässern lebenden Fischen („Catalogus piscium“).

Das eigentliche Kartenblatt weist einen aufwendigen Rahmen auf, zunächst ovale Medaillons mit Ansichten von 49 pommerschen Städten (darunter Barth, Franzburg, Damgarten, Stralsund, z.T. Grundrisse), darauf in einem umfaufenden Band über 300 Wappen des pommerschen Adels („Nomina et insignia familiarum nobilium“, einige wenige mit leerem Wappenschild). Die Bilder der hinterpommerschen Städte sollen von dem Antwerpener Maler Johan Wolfart stammen; der Urheber der vorpommerschen Ansichten ist unbekannt. Von letzteren sind in der „Stralsunder Bilderhandschrift“ (Stadtarchiv Stralsund) die Vorlagen erhalten geblieben.

Das ganze Blatt ist mit seiner aufwendigen, frühbarocken Komposition mit herrschaftlicher, militärischer, wissenschaftlicher und musischer Symbolik ein Meisterwerk der Kartographie dieser Zeit, ein für einen Fürsten repräsentatives Kunstwerk. Ihren weitgespannten Inhalt bewertet Oelrichs: „Übrigens möchte diese Charte auch noch insbesondere, wenn sie gehörig zusammen gesetzet, genauer illuminiret, und alsdenn an der Wand aufgehänget würde, zum Unterricht der Pommerschen studierenden Jugend zu einem eigenen Historisch=Geographisch=Topographisch=Politisch= und Physicalischen Collegio darüber dienen können“ (S. 76f.).

Die Karte wurde in einer vermuteten Auflagenhöhe von 30 Expl. gedruckt und 1618 Herzog Philipp Julius überreicht (der Auftraggeber, Philipp II., war kurz zuvor verstorben). Sie fand zunächst nur eine geringe Verbreitung. Ihre 12 Druckplatten galten lange verschollen, bis sie 1756 nach längerer Suche von Oelrichs auf dem Dachboden des Hauses des Greifswalder Bürgermeisters Zander aufgefunden wurden. Von ihnen erschien 1758 ein unveränderter Abdruck. Weitere Drucke erfolgten 1926, 1980 und 1989 (letzterer mit Begleittexten in polnischer Sprache).

Im Jahre 1619 erfolgte eine Umzeichnung der großen Karte unter Wegfall der Beigaben auf das Format 50 x 38 cm, wodurch die Karte auch Eingang in Atlanten finden konnte, wie in die berühmten Kartenwerken von Willem Janszoon Blaeu in Amsterdam: „Pomeraniae Ducatus Tabula. Auctore Eilhardo Lubino“. In der Umgebung von Barth finden sich Damgarten, Lüdershagen, Bodstedt (Boldenstede) und Barth, dazu die Recknitz und die Barthe sowie einige Bäche. Am oberen Rand der Karte findet sich eine Darstellung des pommerschen Gesamtwappens mit den flankierenden „Wilden Männern“.

Bild: Ausschnitt aus der Lubinschen Karten mit dem Gebiet zwischen Damgarten und Stralsund

Literatur:
Johann Carl Conrad Oelrichs, Historisch=geographische Nachrichten vom Herzogthum Pommern und Fürstenthum Rügen. Berlin 1771
Herbert Ewe, Stralsunder Bilderhandschrift. Rostock 1979, bes. S. 8–10
Ralf Gunnar Werlich, Dynastie und Genealogie – Stammbäume der Greifen. In: Unter fürstlichem Regiment. Barth als Residenz der Pommerschen Herzöge. Berlin 2005, S. 149–185, bes. S. 175–181

Oswald Dreyer-Eimbcke, Geschichte und Geschichten der Kartographie in Mecklenburg-Vorpommern. 2008
A. Haas, Die große Lubinsche Karte von Pommern. Stolp 1926

Sprache des Begriffs (2 Zeichen ISO Code): de
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